Interview mit Philip J. Reilly
“Pro life": Viele Menschen verbinden damit das
verbissene, lieblose Kämpfen gegen die Abtreibung. Gefärbte Medienberichte haben
dieses Image geprägt. Father Philip Reilly, seit Jahrzehnten in der “pro liefe"-Bewegung
tätig, steht jedoch für ein liebevolles Zugehen auf Frauen, die abtreiben wollen
oder abgetrieben haben. Und er rettet damit weltweit Frauen und Kinder...
P. Reilly, Sie haben vor zwölf Jahren die Bewegung “Helpers
of God's Precious Infants" in der Diözese Brooklin gegründet. Seither versuchen
Sie also “Gottes kostbaren Kindern" zu helfen. Mit Erfolg?
P. Philip Reilly: In 40 Staaten der USA gibt es diese Bewegung
der “Helpers" mittlerweile. Mehr als 75 Bischöfe und fünf Kardinäle begleiten
aktiv diesen Weg in den USA. In Neuseeland und in fast allen großen Städten
Australiens gibt es Gebetsvigilien, ebenso in Irland, London, Frankreich, Deutschland,
der Schweiz. In Österreich fanden bisher 245 Gebetsvigilien statt. In Italien
wurde überraschend eine “Bewegung für Christus und das Leben" gegründet.
In 50 verschiedenen Städten Italiens wird nun gebetet, ebenso in der Slowakei,
in Kroatien. In Budapest, wo ich vor fünf Jahren war, machen sie Prozessionen
und Gebetsvigilien ...
Gebetsvigilien: Was ist darunter zu verstehen?
Reilly: Wir feiern zunächst eine Messe in einer Kirche, die in
der Nähe einer Abtreibungsklinik liegt. Nach der Messe wird das Allerheiligste
ausgesetzt, der Priester zieht ein Straßengewand an und führt - den Rosenkranz
betend - den Zug aus der Kirche. Den ganzen Weg zur Klinik beten wir. Zwischen
den Gesätzchen singen wir ein Lied. Am Ende knien wir eine Minute auf dem Gehsteig
nieder - in absoluter Stille und flehen Gottes Barmherzigkeit auf uns und alle
herab. Im Gebet kehren wir zum Abschlusssegen in die Kirche zurück.
Die “Helpers" stehen aber auch vor den Abtreibungskliniken,
verteilen Informationsmaterial und versuchen Kinder zu retten. Wie gelingt das?
Reilly: Ich sehe die “Helpers" als Instrumente, die die
Kultur des Lebens wieder einführen. Sie tun es so, dass sie die Welt nicht verurteilen,
nicht als Feind ansehen. Wir versuchen, die Wahrheit zu leben und Zeugen der
Wahrheit zu sein. Die Wahrheit, wie wir sie sehen, ist: Ich bin der Weg, die
Wahrheit und das Leben. Das heißt, Christus anzuziehen. Und Christus auf die
Straßen dieser Welt zu bringen, heißt, die Wahrheit über den ganzen Menschen
öffentlich zu bezeugen. Indem wir das tun, ermutigen wir die Menschen, diese
Wahrheit anzunehmen und sich zu bekehren. Das muss man jedoch so tun, wie Christus
es getan hat. Unser Herr ist nach Golgotha gegangen mit Liebe zu den Menschen,
die ihn töten wollten. Und als die Menschen diese Liebe spürten, hat sie das
zur Umkehr bewegt.
Aber ist so ein Zeugnis in der Begegnung mit Frauen, die
zur Abtreibung in die Klinik gehen, überhaupt möglich?
Reilly: Es nützt nichts dazustehen und zu sagen: Diese Menschen
haben unrecht, ihre Kinder umzubringen. Sie wissen es nämlich nicht besser,
leben sie doch in der Finsternis, im Irrtum. Du musst ihnen das Licht und die
Wahrheit bringen, ihnen von der Schönheit des Lebens und dem Wunder, ein Kind
zu haben, erzählen. Sich über die heutigen Missstände zu ärgern, ist reine Zeitverschwendung.
Es geht darum, dass du die Wahrheit bezeugst. So viele sind heute durch die
Kultur des Todes zutiefst verletzt worden. Sie leiden Schmerzen und haben keine
Selbstachtung mehr, werden von Schuldgefühlen geplagt. Dem kann man nur begegnen,
wenn man den Menschen Hoffnung macht und ihnen die Barmherzigkeit Gottes und
Seine Liebe bringt. Man muss sie zurückholen zu dem Wunderbaren, das Gott für
sie bereithält. Es ist soviel Ärger und böses Blut da draußen. Wir müssen darauf
mit Liebe antworten und beweisen, dass die Liebe größer ist als der Hass. Dann
hören wir oft die Frage: Warum zahlt ihr uns nicht mit der gleichen Münze zurück,
die ihr von uns bekommt? Wieso habt ihr soviel Hoffnung? Was ist so anders an
euch?
Welche Antwort geben Sie dann?
Reilly: Dass Christus in uns wirkt. Daher brauchen wir junge
Christen, wahre Christen, die das Evangelium leben, so leben, wie Christus gelebt
hat. Sie müssen zuerst auf Christus schauen, um die Bedeutung des Lebens zu
erfassen. Sie müssen auf Christus schauen, um die Weisheit zu erkennen. Sie
müssen Christus in sich leben lassen, müssen Freude an Christi Liebe erleben.
Dann bekommen sie den großen Auftrag: Das Licht Christi in die Welt der Finsternis
zu bringen.
Nicht argumentieren, nicht debattieren, nicht den anderen als Feind betrachten
- nur losziehen, Zeugnis geben und das Licht nicht unter den Scheffel stellen.
Ihr seid das Licht der Welt - nicht das des Hauses, des Tempels oder der Kirche!
Geht hinaus aus dem Haus, aus der Kirche auf die Straßen der Welt! Gott will
die Erlösung der Menschen, die in der Kultur des Todes verhaftet sind. Und er
will nicht, dass wir über die Abtreiber herfallen, sie töten. Jesus könnte jederzeit
die Abtreibungen beenden, in dem Er jeden sofort tötet, der abtreibt. Aber Er
wollte ja, dass die Menschen in den Himmel kommen und nicht in die Hölle. So
möchte Christus durch uns sein Werk fortsetzen.
Ist das nicht eine Überforderung?
Reilly: Nicht wenn Christus gegenwärtig ist. Daher spreche ich
von der vom Gebet erfüllten Gegenwart: Ihr könnt füreinander als Gegner präsent
sein oder indem ihr debattiert; Ihr könnt füreinander auch als Fremde präsent
sein oder auf einem rein menschlichen Niveau sein. Aber Ihr könnt dem anderen
auch die Präsenz Gottes bringen. Damit dies möglich wird, muss der Betreffende
mit Gott kommunizieren. Wenn du die Eucharistie nimmst, befähigt dich der Geist
Gottes, so zu handeln wie Gott, beziehungsweise handelt dann Gott durch dich.
Die Macht des Gebetes verändert die Welt. So bringst du nicht nur dich selbst
der Welt, sondern du bringst Jesus in die Welt, um sie zu verändern. Wir gehen
hinaus, weil die Welt das dringend braucht, weil es dort finster ist, am finstersten,
wo das Töten der unschuldigen Menschen stattfindet, die Wehrlosesten zerstört
werden, die Ungebetenen, die Babys - wo die Mütter ausgebeutet werden. Das ist
der Platz, wo die Präsenz des Lichtes von Gottes Volk am nötigsten ist. Überall
auf der Welt versuchen wir, das Volk Gottes aus dem Zönakel hinaus nach Golgotha
zu bewegen. Golgotha ist heute der Platz, an dem unschuldiges Blut vergossen
wird.
Haben Sie Hoffnung, daß die Kultur des Todes überwunden
werden kann?
Reilly: Die Kultur des Todes ist nichts Neues. Sie ist nur intensiver.
Es ist der lange Krieg zwischen dem Königreich, das nicht von Gott ist, und
dem Königreich, das von Gott ist. All das hat im Garten Eden begonnen, und das
Töten geht bis zum heutigen Tag weiter, weil die Menschen sich von Gott abgewandt
haben. Der große Irrtum unserer Tage ist der Verlust Gottes. Damit hat sich
auch der Verlust des Wissens um Gut und Böse eingestellt, den wir Sünde nennen.
Zwar hat das Böse auf Golgotha seine Erfüllung gefunden, aber von dort ist auch
alles Gute ausgegangen. So wird auch heute der Fluß des Lebens von Golgotha
ausgehen und sich über die ganze Welt verteilen. Der Grund für meine Hoffnung
ist, daß alle die “Helpers"-Gemeinschaften, auch die hier in Wien, im Wachsen
sind. Es kommen viele Priester- und Ordensberufungen aus diesen Gemeinschaften.
Viele, viele Babys wurden und werden gerettet. Das ist es, was Gott wünscht.
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