"Neusprech" - Political Correctness
als Kampfinstrument
In seinem 1949 erschienenen Roman "1984" erzählt der Autor
George Orwell die Geschichte eines Mannes, der in einem fiktiven Großstaat
Ozeanien lebt und letztlich in einem System untergeht, das jedes Individuum
einer totalen Kontrolle unterzieht. Als vielleicht wichtigstes Werkzeug dazu
dient das Konzept des sogenannten "Neusprechs" ("Newspeak"),
mit dem die Diktatur durch Veränderung von relevanten Begriffen eine systemkritische
Denkweise seiner Untertanen praktisch unmöglich machen will. Unter anderem
gibt man negativen Begriffen völlig neue Namen, die die Bedeutung ins
Gegenteil verkehren. Die Behörde, die eine umfassende Bespitzelung und
Unterdrückung verantwortet, wird in dem Bestseller "Ministerium für
Liebe" genannt. Straflager, in denen Menschen drangsaliert und gefoltert
werden, heißen "Lustlager" und so weiter. Wer dennoch selbst
denken und sich eine Privatsphäre erhalten will, wird so zum "Gedankenverbrecher".
Natürlich sind wir in der Bundesrepublik weit von derart brutalen Machenschaften
entfernt. Unser Staat ist keine Diktatur. Natürlich nicht. Dennoch gewinnt
eine Form des Neusprechs bei uns seit Jahren an Boden, die geeignet ist, den
politischen Diskurs in hohem Maße zu beeinträchtigen. "Political
Correctness" nennt man den Versuch, durch Umbenennung von Sachverhalten
bestimmte Denkmuster zu schaffen, die politisch Andersdenkende in ihrer Argumentation
einschränken und Themen möglichst gänzlich ins Abseits stellen
soll. Ursprünglich in den USA entwickelt, um die Diskriminierung von Minderheiten
zu vermeiden (bei uns z. B.: Raumpflegerin statt Putzfrau), ist die PC zu einem
wichtigen Kampfinstrument der politischen Linken geworden.
Erstmals in Deutschland erfolgreich eingesetzt wurde das Mittel der politischen
Korrektheit in den 80er Jahren bei der großen gesellschaftlichen Debatte
um die Abtreibung. Die von der Feminismus-Lobby angestrebte straffreie Tötung
ungeborener Kinder hatte den unschönen Beigeschmack, dass es sich eben
letztlich um das Töten von Kindern handelt, sehr kleinen Kindern zwar,
aber eben Kindern. Um diese Tatsache aus dem Blick der Bevölkerung zu
verdrängen, kreierten die "Mein Bauch gehört mir"- Aktivistinnen
neue Begriffe. Aus einem Baby wurde so ein "Zellklumpen", aus einer
Abtreibung eine Schwangerschaftsunterbrechung". Als ob man eine "unterbrochene
Schwangerschaft" später weiterführen könnte. Der Erfolg
war dennoch gewaltig, bis heute gibt es große Mehrheiten in der deutschen
Bevölkerung, die eine Schwangerschaftsunterbrechung befürworten,
da es ja schließlich nur um einen allein nicht lebensfähigen Zellklumpen
gehe. Seither erleben wir in der politischen Diskussion regelmäßig,
ich sage zunehmend, gesellschaftliche Denkverbote, die Positionen insbesondere
von Konservativen schon zu Beginn ersticken sollen. Jeder, der etwas Kluges
sagt, wird so zum "Rechtspopulisten", ergo zu jemandem, den man gar
nicht mehr zuhören muss.
Dabei gibt es neben zynischen Begrifflichkeiten, wie am Beispiel der Abtreibung
geschildert, durchaus heiteres bis albernes Neusprech. Das "Forum für
Sinti und Roma" in Hannover erfreute uns kürzlich mit einem wirklich
originellen Vorschlag. In einem öffentlichen Schreiben an die Hersteller
von Grillsaucen forderte es, auf den Begriff "Zigeunersauce" zukünftig
zu verzichten, um sich nicht dem Vorwurf von Diskriminierung auszusetzen. Einen
Vorschlag, wie die Sauce heißen soll, gibt es noch nicht. Kein einfach
zu lösendes Problem, denn nur "Scharfe Sauce" könnte zu
erheblichen Abgrenzungsproblemen für die Verbraucher führen. Doch
wohin soll das alles führen? Sinti und Roma wurden in Deutschland und
werden bis heute in vielen Ländern diskriminiert. Und das ist schlimm.
In vielen Ländern bezeichnen sich die Angehörenden dieser Volksgruppe
aber auch selbst -und nicht ohne Stolz- als Zigeuner. Was also verbessert sich,
wenn wir in Deutschland Grillsaucen umbenennen? Müssen wir demnächst
auch "Lustig ist das Leben der reisenden ethnischen Minderheiten, faria,
faria ho..." singen? Wie nennen wir die Strauss-Operette vom Zigeunerbaron?
Es ist grotesk, was der Bevölkerung hier aufgezwungen werden soll.
Seit Jahren erleben wir eine Art Volkserziehung durch das Ändern von
Begrifflichkeiten. Der Sarotti-Mohr war in meiner Kindheit überall präsent,
irgendwann wurde er zum Sarotti-Magier. Der Negerkuss wurde zum Mohrenkopf,
dann zum Schokokuss und ist heute, glaube ich, eine Schaumwaffel. Hat es etwas
geändert? Gibt es keine Diskriminierung mehr? Ist sie weniger geworden?
Ich habe nicht den Eindruck. Und während in unseren Radiosendern Rap-Musik
aus USA gedudelt wird, in denen sich die schwarzen, also die farbigen, ich
meine die Sänger afroamerikanischer Herkunft, selbst gesanglich als "Niggaz" bezeichnen,
arbeiten wir uns an Lebensmitteln und ihren politisch korrekten Bezeichnungen
ab. Das klingt alles heiter, ist es aber nicht. Seit vielen Jahren bemühen
sich etwa Feministinnen darum, dem großen Binnen-"I" zum Durchbruch
zu verhelfen. Bürgermeisterin statt Bürgermeister, neuerdings auch
Bürgermeisterin für diejenigen, die sich nicht entscheiden können,
was sie gerne sein würden. Oder die Anrede "Liebe Christinnen und
Christen" statt das geschlechterumfassende "Christen". Alles
in Ordnung, so lange es darum geht, Diskriminierung zu vermeiden. Aber es ist
unübersehbar, dass auf das große "I" gern verzichtet wird,
sobald es negativ besetzte Begriffe sind? Die unsägliche Kampfparole "Soldatinnen
sind Mörderinnen" werden Sie nie hören. Auch von den Terroristinnen
der AI Quaida ist nie die Rede, obwohl es die durchaus gibt. Manchen modernen
Menschen ist nun aufgefallen, dass es durchaus langwierig und langweilig ist,
wenn man immer wieder von "Lieben Professorinnen und Professoren" sprechen
und schreiben muss. Deshalb haben zwei ostdeutsche Universitäten nun formell
beschlossen, aus Gründen der Zeitökonomie ausschließlich den
weiblichen Begriff zu verwenden. Der Student soll nun "guten Morgen, Herr
Professorin" sagen. Was für ein glückliches Land, in dem sich
die Elite mit solchem Nonsens beschäftigt.
Doch es ist noch steigerungsfähig. Als aus der evangelischen Kirche eine
sogenannte "Bibel in gerechter Sprache" publiziert wurde, fand man
darin zum Beispiel die Begrifflichkeit von "Jüngerinnen und Jüngern".
Klar, wenn man das akzeptiert, gibt es irgendwann auch keinen Grund mehr, Frauen
vom Priesteramt auszuschließen - ein erklärtes Ziel derjenigen,
die die katholische Kirche Sturmreif schießen wollen.
Ein anderes besonders übles Beispiel erleben wir dieser Tage im Berliner
Bezirk Kreuzberg. Und es ist deshalb erwähnenswert, weil es nicht nur
um ein paar atheistisch gesinnte Spinner geht, sondern um eine Behörde,
also unseren Staat. Das Bezirksamt untersagte jetzt Veranstaltungen mit religiösem
Charakter im öffentlichen Raum. Als Muslime den Antrag stellten, zum Abschluss
des Ramadan ihr traditionelles Zuckerfest öffentlich zu feiern, wurde
dies vom zuständigen SPD-Stadtrat abgelehnt. Nachdem der religiös
vorbelastete Begriff "Zuckerfest" durch "Sommerfest" ersetzt
wurde, erteilte man die Genehmigung. Gleiches soll nun auch den Weihnachtsmärkten
wiederfahren, sofern diese nicht in "Winterfest" oder etwas Ähnliches
umbenannt werden. Die Liste von Beispielen lässt sich endlos fortführen.
Kindergärten, selbst christliche, verwenden für ihre religiösen
Feste zunehmend belanglose Bezeichnungen. Aus dem St.-Martins-Umzug wird so
schnell ein "Laternenfest"-angeblich aus Rücksicht auf die Gefühle
andersgläubiger oder gar nicht gläubiger Menschen, die sich aber
offenbar in der Regel gar nicht daran stören. In Wahrheit zielen alle
diese Vorgänge darauf ab, die Religionsgemeinschaften insgesamt an den
Rand unserer Gesellschaft zu drängen. Weihnachten, das Fest der Geburt
Jesu, ist so eine Bastion, die man schleifen will. Wenn die Familien unter
dem Tannenbaum zusammenkommen, wenn man gemeinsam den Gottesdienst besucht,
wenn Kinder mit glänzenden Augen ihre Geschenke auspacken, kurz wenn für
einige Stunden ein wenig heile Welt herrscht, dann werden die Progressiven
unruhig. Eine gute, politisch aber sehr weit links stehende, Freundin sagte
mir einmal: "Ich glaube nicht an Gott und mir bedeutet Weihnachten überhaupt
nichts. Aber an diesem Abend herrscht überall eine Stimmung, der auch
ich mich nicht entziehen kann." Wohl wahr. Fest steht: Wenn Erich Honecker
noch leben würde, er hätte seine helle Freude an der politischen
Mehrheit im Bezirk Kreuzberg. Vielleicht kommen ja dort irgendwann auch die
Jahresendzeitfiguren" aus der guten alten DDR wieder zu ihrem Recht. Die
war eine Diktatur.
Autor: Klaus Kelle, Quelle: Komma
Magazin, August 2013
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