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Des Teufels Lieblingswaffe
Eines Tages beschließt der Teufel, sich aus dem
Geschäft zurückzuziehen. Er verkauft seine Waffen, an Bestbieter.
Sorgfältig werden die Preise ausgeschildert: für Schurkerei, Neid,
Haß...
Ein scheinbar harmloses Werkzeug wird mit einem exorbitant hohen Preis versehen.
Das weckt die Neugier eines potentiellen Käufers, und er erkundigt sich: "Ja,
das da ist die Entmutigung," erwidert der Böse und kann sich ein
boshaftes Lächeln nicht verkneifen. "Aber warum so teuer?" "Weil
es eine der besten Waffen ist..."
Interessiert betrachtet der Klient den Gegenstand von allen Seiten. "Ich
kann gar nicht glauben, daß dieses Ding so gefährlich sein soll." "Schauen
Sie, die Schüler dort," der Teufel grinst, wird wieder ganz der Alte. "Seit
einer Woche gehen sie in die Schule. Sind voller guter Vorsätze. Mit dem
Instrument strecke ich das kleine Volk im Handumdrehen nieder..."
Der Teufel ist ganz aufgemöbelt. Er wird dem Grünschnabel seine Lieblingswaffe
vorführen: "So schnell können Sie gar nicht schauen - und ich
habe die Hälfte entmutigt. Für den Rest setze ich Eltern und Professoren
ein. Einige arbeiten bestens mit: negative Äußerungen, willkürliche
Noten und Urteile, massiver Druck. Wenn sie sich auf meine Seite stellen, dauert
es nicht lang und wir machen die besten Schüler nieder. Dann bleibt mir
nur mehr, die Waffe gegen sie selbst zu richten, und ganze Familien werden
zerstört."
Regel Nr. 1, geschätzter Kunde: die Vergangenheit in düsteren Farben
malen. Im September werfen die meisten Eltern einen Blick auf das letzte Jahr,
um daraus Schlüsse zu ziehen, die sich aufdrängen. Da muß man
verhindern, mit ihrem Nachwuchs das zu betrachten, was dessen Wachstum gefördert
und Erfolg ermöglicht hätte. Manche Eltern konzentrieren sich auf
die Schulprobleme, ohne das Rundherum zu sehen: Kameradschaft, sportliche Erfolge,
Hilfsbereitschaft... Sie sehen nur, was schiefgelaufen ist, stellen das Verpatzte
ins Licht und schließen so ihren Nachwuchs in den Fehlschlägen ein.
Das sind mir die liebsten, sie machen meinen Job bestens.
Regel Nr. 2: die Zukunft untergraben. Die Jungen sollen nur ja keine Träume,
keine Projekte, kein Verlangen entwickeln. Um sie maximal zu demotivieren,
zeige ich ihnen eine Welt ohne Zukunft, ich rede von Arbeitslosigkeit, Aids,
Umweltverschmutzung. Zugegeben: die Medien helfen da sehr.
Ich liebe es, ihnen Angst einzujagen (sehr wirksam, die Angst: sie nimmt jeden
Elan...). Kurzum, ich zeige ihnen, daß ihr Leben keinerlei Sinn hat und
bringe sie dazu, Nabelbeschau zu betreiben. Dann haben sie sicher keine Lust, über
sich hinauszuwachsen! Sollten sie sich aber betätigen wollen, finde ich
sofort jemanden, der ihnen unerreichbare Ziele vorgibt. Das entmutigt sie innerhalb
kürzester Zeit.
Regel Nr. 3, lieber Freund: die Gegenwart miesmachen. Am wirksamsten sind die
Gleichgültigkeit ("Ist ja dein Leben, nicht meines") oder im
Gegenteil übertriebenes Einmischen in Schulsachen. Ich hetze Eltern gegen
Lehrer auf, wenn es um Noten geht, halte sie an, die Kinder zu vergleichen
("Mach's wie dein Bruder"; "wie ich so alt war wie du...")
und verhätschle jene, die sie verbal niedermachen: ,Du bist eine Null',
,Aus dir wird nichts im Leben'... Das reinste Vergnügen!"
Der potentielle Kunde ist beeindruckt. "Gegen Ihre Entmutigung ist wirklich
kein Kraut gewachsen?"
Der Teufel ringt die Hände. "Es gibt ein einziges Gegenmittel: das
Vertrauen. Eine noch schrecklichere Waffe als mein ganzes Arsenal zusammengenommen
ist das Vertrauen. Eine Mischung aus Glaube und Wohlwollen, Liebe und Zuversicht.
Vertrauen ist die Geheimwaffe der Christen. Zuversicht ist vorausschauend,
hebt das hervor, was funktioniert, sieht die Stärken, die Erfolge, die
Fortschritte, selbst die kleinsten. Vertrauensvolle Eltern sehen ihre Kinder
mit den Augen Gottes. Vertrauen hat das Reich Gottes im Blick." "Und
dagegen sind Sie machtlos?" "Restlos, wirklich vollkommen
machtlos."
Author: Juliette Levivier
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