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Die 3 Söhne
Togktamisch, ein reicher Tartar, der von seiner einzigen Gemahlin
Turkan-Kata drei Söhne hatte, übergab am Tag vor seinem Tode dem Kadi
des Ortes ein versiegeltes Testament, worin derjenige zum Erben aller seiner Güter
eingesetzt werden sollte, der am besten beweisen würde, dass er des Togktamisch
Sohn sei.
Die drei Brüder kamen zum Kadi und brachten ihre Beweise vor. Sie schienen
alle drei gleiches Recht zur Erbschaft zu haben. Alle drei beriefen sich auf
das Zeugnis ihrer Mutter, welche noch lebte. Der Kadi wußte sich in dieser verwickelten
Sache nicht zu helfen und trug sie dem Sultan Togrul, der eben in die öffentliche
Versammlung kam, zur Entscheidung vor.
Der Sultan war gerade im Begriff, auf die Jagd zu gehen. Deswegen befahl er den
Streitenden, die Mumie ihres Vaters ohne Verzug herbeizubringen. Dann liess er
dieselbe in eine ziemliche Entfernung stellen. Als das geschehen war, sagte er:
"Es ist sehr schwierig, diese Verwirrung zu lösen. Aber wer von euch dreien
den Vater genau ins Herz trifft, soll als wahrer Sohn und Erbe des Togktamisch
gelten."
Zuerst richtete der Sultan dem ersten Sohn seinen Pfeil und Bogen. Dieser zielte,
und sein Pfeil traf in des Vaters Brust. Der zweite nahm den Bogen und traf ebenso
gut. Nun erhielt der Jüngste den Bogen. Schon hatte er den Pfeil aufgelegt,
schon spannte er den Bogen, da senkte er die Waffe rasch wieder Er fing an zu
weinen, warf sich dem Sultan zu Füßen und rief: "Herr, zürne
nicht, wenn dein Sklave sich weigert deinem Befehle zu gehorchen! Wie viele Wohltaten
habe ich von meinem Vater empfangen! Er liebte mich so zärtlich, er tat
mir viel Gutes und behandelte mich so liebreich, als ob ich sein einziger Sohn
wäre.
Wie könnte ich nun die grausame Undankbarkeit begehen, im noch in seinem
Tode zu verwunden. Lieber will ich mein Erbteil entbehren als es auf diese Weise
zu gewinnen."
Der Sultan hob ihn auf, küßte ihn auf die Stirn und sprach: "Du hast
am besten bewiesen, dass du des trefflichen Togktamisch Sohn bist; darum wirst
du auch sein einziger Erbe sein. Die beiden Ältesten aber verkaufe man als
Sklaven, denn sie haben durch ihre Undankbarkeit bewiesen, dass sie keine echten
Söhne
eines edlen Vaters sind."
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